Seit ziemlich genau einem Jahr fahre ich nun dieses gute Stück, das Canyon Inflite 9.0. Dann wäre es doch an der Zeit meine Erfahrungen mit euch zu teilen.
In meiner Jungendzeit gab es in der Offseason stets nur monotones Straßentraining am Wochenende, Krafttraining und stupides Rollentraining unter der Woche. Mit etwas Glück ging es ab und zu auf die Bahn und man hatte Angst in Frankfurt Oder die alte Steilwand herunterzurutschen. Nun bin ich aber seit dem letzten Jahr professioneller Hobbyfahrer und dementsprechend konnte ich den letzten Winter nicht einfach faulenzen, wie die Jahre zuvor. Ich bin zwar auch ein akzeptabler Läufer, kann mich aber eigentlich nicht dazu motivieren – insbesondere nach der traumatischen Erfahrung, von meinem Vater und unserem Hund im Training abgezogen worden zu sein. Viele meiner Freunde fahren im Winter Mountain Bike oder Cyclocross und so stand mein Entschluss fest, mir auch einen Crosser zuzulegen. Da ich außerdem in Greifswald nahe der Küste wohne, mit einem riesigen abwechslungsreichen Wald vor der Haustür, war auch ich besonders motiviert die Umgebung abseits der Straßen zu erkunden.
Für mich als totalen Cyclocrossnoob waren die Anforderungen an meinen ersten Crosser dennoch hoch. Er sollte extrem robust sein, um das strenge Winterwetter hier im hohen Norden mit der salzhaltigen Luft gut wegstecken zu können und nebenbei die unvermeidlichen Anfängerstürze zu überleben. Daher war eloxiertes Aluminium das Rahmenmaterial der Wahl. Für mich als Materialfetischisten musste es natürlich eine 11fach Schaltgruppe mit hydraulischen Scheibenbremsen sein. Tubelessready Laufräder und hochwertige Anbauteile standen auch auf meiner Wunschliste. Mein Budget hatte für all dies eine Höchstgrenze von 2000€. Zur Auswahl standen hier für mich das CUBE Cross Race SL, das Planet-X XLS (Rival mechanical) und das Canyon Inflite 9.0.
Schlussendlich habe ich mich dann für das Canyon entschieden. Es war nicht nur das leichteste Rad, sondern hatte vor allem meiner Meinung nach das robusteste Rahmenset – eloxiertes Aluminium vs. lackiertes Aluminum, bzw. Carbon. Außerdem war das Inflite mit einer auf Komfort orientierten Vollcarbongabel ausgestattet. Zudem hatte es auch eine hochwertige Ausstattung, vor allem in Bezug auf Laufräder und Anbauteile. Den Ausschlag gab schließlich auch die Farbe – schwarz mit roten Akzenten entsprach doch genau meinem Style!
Nach der Bestellung folgte allerdings erst einmal Ernüchterung. Canyon hatte im letzten Herbst massive Probleme beim Versand ihrer Bikes. Dies lag wohl an der Umstellung ihres Computersystems und führte zu z.T. massiven Verzögerungen in der Auslieferung. Hierbei erhielt ich dann mehrere E-Mails mit unterschiedlichen Versandterminen. Auch ihre Hotline war zwischenzeitlich kaum zu erreichen. Allerdings waren die Mitarbeiter sowohl im Servicechat als auch auf Facebook sehr kompetent und hilfsbereit. Dementsprechend hatte ich auch wenig Verständnis für den teilweisen rüpelhaften Ton einiger anderer Facebooknutzer auf ihrer Seite, der sich schon fast zu einem Shitstorm ausweitete. Nach einigem Warten stand dann eines schönen Dezembermorgens auf einmal völlig überraschend der Postbote mit einem Canyonkarton vor der Tür. Ganz schnell war das Rad dann ausgepackt und zusammengebaut. Die Freude war riesig, schließlich sah das Inflite einfach nur umwerfend aus.
Es passte auch wie angegossen. Mein Inflite hatte ich in Größe S geordert und es entspricht damit auch der Rahmengröße, die ich bei meinem Straßenrad fahre. Schon die ersten Fahrten haben mich begeistert. Das Inflite ist super agil und man kann damit perfekt die Trails im Wald langheizen. Erstaunlicherweise ist es sowohl steif im Antritt und lässt sich richtig präzise lenken, aber ist dennoch sehr komfortabel. Das ist insofern ganz praktisch, als das man hier keine Trainingsrunde drehen kann, ohne auf holperigen LPG-Plattenwegen aus DDR Zeiten zu landen, von Kopfsteinpflasterstraßen ganz zu schweigen. Die 11fach Schaltung funktioniert schnörkellos. Canyon hat auch die Schaltung und Bremsen vorbildlich verkabelt, mit entsprechenden Rahmenschützern. Nur an der Hydraulikleitung der hinteren Bremse habe ich hinten einen Jagwire Rahmenschützer und vorne einen Schutzsticker am Oberrohr nachgerüstet – damit Dreck und Sand nicht über die Zeit das Eloxal wegschmirgeln. Für mich ist das Inflite mein erstes Rad mit Scheibenbremsen überhaupt – nach über einem Jahrzehnt Radsport. Die hydraulischen Scheibenbremsen sind einfach genial. Sie sind von der Bremskraft her brachial und lassen sich kinderleicht dosieren. Natürlich muss man sie erst ordentlich einbremsen. Die Metallbeläge von Shimano neigen zugegebenerweise etwas zum Quietschen, wenn es richtig nass und dreckig ist – bzw. wenn man nach der letzten Schlammschlacht sein Rad nicht geputzt hat. Diese Tatsache hat allerdings nichts mit dem Inflite an sich zu tun, sondern ist dem Belag geschuldet. Wen es stört, der kann sich ja organische Beläge zulegen. Das einzige, das mich an dem Rad gestört hat, war die Vorbaulänge. Normalerweise kommt das Inflite in der Größe S mit einem 90mm langen Vorbau. Für meinen Geschmack ist das etwas kurz, allerdings sitze ich gerne etwas gestreckter auf dem Rad und für andere mag das durchaus perfekt sein. Canyon verwendet nun aber das etwas außergewöhnliche Gabelmaß von 1 1/4 Zoll (vs. 1 1/8). Das ermöglicht zwar technisch hervorragende Gabeln, aber schränkt die Auswahl an Vorbauten stark ein. In Deutschland gibt es de facto nur die Vorbauten von Canyon selbst, den Ritchey 4 Axis und ein neues Modell von Zipp. Ich selber habe mir dann für 20€ auf Ebay ein 110mm Exemplar von Ritchey ersteigert und dann war meine Position auf dem Inflite perfekt!
Ich habe den ganzen letzten Winter über auf dem Inflite trainiert. Dabei musste es einiges aushalten – Dauerregen, Schlamm, Schnee und Eis. Nicht immer habe ich es dabei top gepflegt und es stand auch schon mal eine Weile verdreckt rum oder wurde ungeputzt einfach nochmal gefahren. All dies hat das Rad nicht sonderlich beeindruckt und selbst mein halbes Dutzend Anfängercrashs hat es überlebt. Hier ist auch noch ein Tipp: Bestellt euch am besten gleich 2-3 Ersatzschaltaugen mit, insbesondere wenn ihr wie ich immer auf die rechte Seite stürzt.
Eigentlich sollte das Rad dann im letzten Frühjahr eine wohlverdiente Sommerpause genießen können. Aber daraus wurde nichts, da meine Freundin nun auch mit dem sportlichen Radfahren angefangen hatte und wir daher diesen Sommer ausgedehnte Touren an der Ostseeküste und auf dem Berlin-Usedom Radweg zurückgelegt haben. Zudem habe ich das Inflite zum Commuten nach Usedom genutzt. All dies hat es mit Bravour bestanden und so steht nach einem Jahr die stolze Distanz von 5000km auf dem Tacho. Folgende Teile habe ich dabei verschlissen: einen Satz Reifen, eine Kette, Kugellager der Hinterradnabe und einen Satz Bremsbeläge. Der Rest des Bikes ist in einem 1A Zustand.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meinem Inflite 9.0. Nach einem Jahr hat es sich mehr als einfach nur bewährt und es ist für mich immer noch eine geniale Spaßmaschine. Das Modell ist zur Zeit zum Preis von 1999€ erhältlich und ich würde es jederzeit wieder kaufen.
Bis zum nächsten Mal! #InfliteRocks